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Mein Hund    
 
   
 

 

Eines Tages zeigte mir eine Bekannte voller Stolz ihren neuen Hund. Eine kleine Beagle Hündin kam mir entgegen. Spindeldünn und rotzfrech. Das Licht der Welt hatte sie bei einem Vermeherer erblickt, der am Futter und so mach anderem gespart hatte. Trotz allem war sie voller Leben und dummer Ideen. Ich bot der Familie meine Unterstützung an.

Obwohl sie fleißig lernte und sich gut entwickelte, wurde die Aufgabe doch zusehends zu einer Belastung durch den starken Charakter der Hündin und dem Alltag der Familie. Sie hatte für den ruhigen Haushalt definitiv zu viel Temperament. Niedlichkeit alleine kann keine Basis für eine 16 Jahre anhaltende Gemeinschaft sein. Gemeinsam vermittelten wir die inzwischen halbstarke Hündin zu einem jungen Paar mit einer Mischlingshündin. Damit endete das Abenteuer aber noch lange nicht.

Im neuen Zuhause passte das Temperament. Alles schien gut zu werden. Ich blieb telefonisch in Kontakt und bekam auf diese Weise sozusagen die weiteren Attentate des kleinen Hundes auf die menschliche Spezies mit.

 

Was auch immer Sie in Büchern oder Medien über das Katastrophen Potenzial von Hunden erfahren haben, dieser kleine Hund toppte garantiert alles. Sie hatte reichlich Bewegung, einen guten Hundekumpel, bestes Futter und ein liebevolles Zuhause. Und so sah ihre Quittung aus:

 

Ging die neue Besitzerin nach ausgiebigem Spaziergang zum Briefkasten, so lagen danach mehrere Haufen direkt hinter der Wohnungstür. Beim Öffnen verwandelten sie sich in einen perfekten Bodenbelag. Sie perfektionierte die Position der Haufen und die Menge. Wir konnten nicht glauben, wie viel Menge nach 2 Stunden spazieren gehen, noch in so einem kleinen Hund stecken konnte. Mehrere Renovierungsarbeiten ließen Raum für kreative Projekte, weil der kleine Hund Tabus nicht so interessant fand. Stubenreinheit entwickelte sich zu einer schier unlösbaren Aufgabe. Der Liegeplatz wurde entgegen einschlägiger Literatur durchaus beschmutzt. Aber was wissen Autoren schon von Reinlichkeitsgefühlen... Jegliche Erfahrungen von uns Menschen wurden schwer auf den Prüfstand gestellt.

Was niemand für möglich gehalten hätte, setzte dieser kleine Beagle einfach um. Sie kletterte auf Arbeitsplatten, öffnete Schubladen, klaute Nahrung aus den unmöglichsten Ecken, pinkelte der Besitzerin auf den Fuß, während diese auf der Toilette saß, zerlegte alles, was kaubar war, beschleunigte das Entfernen von Tapeten, zeigte das typische Beagle Geläut zu jeder Tag und Nacht Zeit, legte sich mit jedem Hund jeglicher Größe an und hatte für Gehorsam nur ein müdes Wimpernzucken übrig. Die Weglauftendenz war sensationell, selbst Leinen konnten ihren Freiheitsdrang nicht aufhalten.

Wie leise Beagle sein konnten und was sie in Sekundenschnelle für Katastrophen verursachen konnten, war mir bis dahin nicht mal ansatzweise bewusst. Und ich hatte mich überheblicherweise für erfahren gehalten.

Durch einen Umzug der Besitzerin und der wenig erquicklichen Vorstellung eines Beagles zwischen Farbtöpfen, zog die Hündin übergangsweise zu uns. Ich hatte zwar noch einen kleinen Sohn im Kindergartenalter und keinen Garten, aber der Ehrgeiz hatte mich mittlerweile gepackt. Was ich bislang nur per Telefon erfahren hatte, wollte ich erleben und....dieser kleine Hund sollte mich nicht an der Nase herum führen. Das wäre doch gelacht!

Am ersten Tag rannte sie ununterbrochen herum. Eine Leine bewahrte sie und uns vor einem Herzinfarkt. Am zweiten Tag schlief sie tief und fest. Nichts konnte sie wecken. Danach kam sie endlich dazu, sich umzusehen. Sie kam zur Ruhe. Aber wir nicht!

 

Sie stand wie selbstverständlich mit allen Vieren auf dem Tisch und stahl unser Essen. Sie zerrte an der Leine, sie zerbiss die Spielsachen meines Sohnes, sie legte sich mit allen Hunden in der Umgebung an, sie brüllte das ganze Haus zusammen, wenn ich nur zum Briefkasten gehen wollte, sie sprang radikal jeden Menschen übermütig an, sie zeigte ihr Beagle Geläut, sobald auch nur das Telefon klingelte und zerlegte Socken aus den Schubladen. Zudem fraß und trank sie dermaßen unsauber, dass ich sie wochenlang auf dem Balkon füttern musste. Und natürlich holte sie das Seramis aus den Pflanzkübeln und fraß draußen alles, was ekelig war.

Aber sie liebte Kinder jeder Altersstufe. Sie stand Schmiere, wenn unser Sohn Unfug machte. Und abends wenn er schlief und ich mit ihr von der letzten Runde kam, kontrollierte sie zuerst seine Atmung, bevor sie selbst schlafen ging. Alle Kinder zwischen Neugeborene und Teenie, waren ihre Helden. Ich glaube, das bewahrte sie vor dem Kochtopf.

Ich übte und übte. Alle Tricks, die ich kannte, verrauchten zu Nichts. Ich musste alles neu überdenken. Dieser Raffinesse hatte ich kaum etwas entgegen zu setzen. Hatte ich etwa meinen Meister gefunden? Trotz allem tat dem kleinen Hund die Struktur unseres Tages gut. Mit einem kleinen Kind, bleibt Struktur nicht aus. Und dieser Rahmen brachte Ruhe in den Beagle. Sie fühlte sich wohl und wollte wohl bleiben. So zog sie vollends ein und wurde zu Ronja Räubertochter. Der Kontakt zur Vorbesitzerin blieb und wurde zu einer engen Freundschaft. Urlaube und Auszeiten konnten so ermöglicht werden und zwei Haushalte wurden ein gutes Lebensmodell.

Nun hatte ich also meine Aufgabe. Klicker, Schleppleine, Pfeife, Geduld, Leckerchen, üben, üben, üben....ich ging fast die Wände hoch.

Ich sprach mit Jägern, holte Fachliteratur hervor, überdachte jede Situation von allen Seiten und besuchte Seminare. Nichts schien zu helfen. Renomierte Hundetrainer bissen sich die Zähne aus. Hatte sie etwa 3 Wochen mit Feuereifer etwas gelernt, stellte sie danach für einen Monat alles massiv in Frage. Permanent wurde meine eigene Disziplin von ihr auf die Probe gestellt. Viele Tränen und viel Schweiß gehörten zum Alltag.

Was am Ende half? Humor! Und ich glaube, das war das Elementarste, was mir dieser Hund zu sagen hatte. Stück für Stück kratzte mir dieser 11kg schwere Hund auch den letzten Rest Stolz und Hochmut ab. Ich glaubte, gar nichts mehr zu können. Am Ende stand nur noch ich als Mensch, der Trainer in mir war verschwunden. Und endlich konnte ich aufhören zu erziehen. Jetzt sah ich nur noch das Wesen Hund, konnte mich auf jeden Moment neu einlassen, die Bedürfnisse klar sehen und spontan handeln. Keine Erwartungen, nur das Jetzt zählte.

Der Druck fiel ab. Ich konnte erkennen, wie quirlig und lustig Ronja war. Alle Menschen in der Umgebung schmolzen dahin, so charmant konnte sie sein. Und tatsächlich gab sie sich sehr viel Mühe, mir die wichtigen Dinge beizubringen. Körpersprache, Geduld, Timing, Dosierung, Verbindlichkeit, Vorhersehbarkeit und Sinnhaftigkeit. Sie war ein gute Laune Hund und echter Clown. Und plötzlich begegneten wir uns mit Respekt. Ich lernte, Fünfe gerade sein zu lassen, die Verbissenheit abzulegen und die Leichtigkeit konnte endlich Einzug halten. Aus dem chaotischen Hund wurde ein zuverlässiger Begleithund.

Danach wurde vieles leichter. Ronja wurde 12 Jahre alt. Wir hatten noch viele bücherfüllende Erlebnisse. Mit der Zeit konnte sie frei laufen und bei Familienfesten musste ich sie nicht mehr ausquartieren. Sie war ein großartiger Hund, ich war mächtig stolz auf uns.

Mit der Zeit wurden wir ein Team. Sie konnte frei laufen und bei Familienfesten muß ich sie nicht mehr zu Freunden ausquartieren.  Sie war ein toller Hund und ich war stolz auf sie. Was ich gelernt habe? Das Wesen des Hundes nicht aus den Augen zu verlieren. Ständig Flexibilität bei der Vorgehensweise zu beweisen, selbst mitten in der Übungseinheit. Die Vorlieben des Hundes zu nutzen. Und nie den Spaß dabei zu verlieren, sonst setzt sich alles fest und es folgt nur Frust. Dennoch gilt: ein guter Grundgehorsam ermöglicht erst die Freiheit des Hundes.

 

Was ich gelernt habe?

Das Wesen des Hundes nicht aus den Augen zu verlieren. Ständig Flexibilität bei der Vorgehensweise zu beweisen, selbst mitten in der Übungsaufgabe. Die Vorlieben des Hundes zu nutzen. Und nie den Spaß zu verlieren, sonst setzt sich alles fest und es folgt nur Frust. Selbstverständlich bringt erst ein guter Grundgehorsam wirkliche Freiheit für den Hund. Aber mit Verbissenheit bekommt kein Mensch Zugang zu seinem Hund.

 

Und hier noch schnell ein Rat am Rande:

Beagle sind keine Familienhunde!

Sie sind nicht niedlich!

Sie sind nicht knuddelig!

Sie sind seit Generationen äußerst selbstständige Jäger. Sie führen die gesamte Verhaltenskette der Jagd durchaus alleine aus. Dazu brauchen sie den Menschen nicht in der Zusammenarbeit. Und das zeigt sich auch im Alltag. Sie sind nicht für Anfänger geeignet. Ronjas Geschichte ist keine Seltenheit!

Ich hatte noch nie mit einem Hund so viel Arbeit. Aber auch noch nie so viel Spaß. Und das zählt am Ende. Denn haben wir uns nicht genau deshalb einen Hund zugelegt?

 

 

   
  © 2010 Vera Reimann, alle Rechte vorbehalten